Was Sie gerade lesen, sind nur geklonte/geklaute Zeilen aus einem langen Brief an einen Kulturminister, der vor etwa drei Wochen an den Börsenverein sowie einige Zeitungen ging.
Eine Reaktion darauf habe ich nicht mitbekommen, deshalb denke ich, dass selbst eine Skandalentscheidung hinsichtlich einer Preisverleihung nicht so viel graues Licht werfen wie eine noch viel grauere literarische Landschaft schlucken kann. Es ist unerklärlich, schier unglaublich, aber trotzdem wahr, was da – wieder einmal, muss man sagen – passiert ist.
Ich gehe weder von gehörigem Unwissen noch von hochgradigem Desinteresse der Juroren aus und genauso wenig wie gezielter Korruption, obwohl es ganz danach aussieht, so abwegig ist deren ,Richtspruch‘. Da wird die Literatur förmlich vom hohen Gerüst gestürzt und ein Popanz von Verlag als Polier auf die Bretter weit über den Köpfen projiziert. Was für eine Kulturschande!
Diese Entscheidung Jahr für Jahr Ignoranten überlassen? Wie lange soll das unwidersprochen fortdauern? Künftig sollten Sachverständige in diese Entscheidung aktiv eingebunden sein, anstatt die Köpfe in den Sand zu stecken und so haarsträubende Verdikte zu akzeptieren, wenn Dichterland und öffentliche Gelder beteiligt sind.
Nun, da die Katze aus dem Sack ist und tot im Dreck liegt, sind Kreativität und offensiver Umgang mit solch grober Fehlentscheidung gefragt, will heißen, der Geschädigte hat eine Wiedergutmachung für den zugefügten Schmerz und die ungerecht erlittene Schmach verdient, und sei es auch nur in Form einer Entschuldigung. Am segensreichsten wäre es freilich für die Literatur des schönen, sich mit einer wahrlich großen dichterischen Vergangenheit schmückenden Ländle, ein rühmliches Projekt zu fördern anstatt eines belanglosen – man höre und staune – „mit Buchideen zum amerikanischen Transzendentalismus“, was immer das sein mag.
Dass das Kulturministerium da nicht rebelliert, sondern mitspielt, ist dabei mehr als nur erstaunlich.
Dass das verschlafene Leitungsgremium des dichterländlichen Verbandes deutscher Schriftsteller da nicht kritisch seine Stimme erhebt, ist die nächste Katastrophe.
„Nun, da die Katze aus dem Sack ist und tot im Dreck liegt“, wollte ich von Editorial, Zeitschrift und Literatur nichts mehr wissen. Wolle aber und mache das, wer kann …
Ich bin mächtig, ich bin nichts…
Eines allerdings sollte dem Literaturbetrieb niemand ankreiden: dass man sich nicht ausreichend mit Georgiens literarischer Landschaft auseinandergesetzt habe. Als einen ersten Tropfen auf den heißen Stein sehen wir daher den Versuch, eine Grande Dame der georgischen Literatur und Kunst vorzustellen: Esma Oniani. Jörg Alexander Henle erinnert sich an seine erste Begegnung mit deren bildkünstlerischem Werk: Ein Feuerwerk in Rot empfing den Besucher, der von der Straße in die Gemäldegalerie eintrat. (…) Die Bilder von Esma Oniani waren Flammen, die Wasser nicht löschen konnte. Was sie ausstrahlten, war Kraft. Kraft und Zärtlichkeit. 60 Jahre alt war die Künstlerin, die 1999 starb. Wir denken an „Blau“, wenn wir den Namen Yves Klein hören. Von nun an werde ich an Esma Oniani denken, wenn ich „Rot“ höre. Wir laden Sie ein, die georgische Schriftstellerin und Malerin kennenzulernen: mit Gedichten, Gedanken über die Poesie, Zeichnungen und Bildern ab Seite 7.
»Fetzchen« ∙ It’s Mayröcker Time
Mit Ștefan Aug. Doinaș wollen wir der deutschsprachigen Leserschaft den Blick ins Werk eines der prominenten Akteure der gegenwärtigen Literatur aus Rumänien vermitteln. Mit einem Essay von Theo Breuer feiern wir Friederike Mayröcker, eine der markantesten literarischen Stimmen der heutigen Zeit, die am 20. Dezember 90 Jahre jung wird.
Die Monde der gelben Mitte
Unser China-Korrespondent Ulrich Bergmann berichtet in seiner Reihe „Die Monde der gelben Mitte“ über „Qingdao – eine neue Welt und drei chinesische Parabeln“. Das Atelier präsentiert Gedichte von Rainer Maria Gassen, Wolfgang Schlott und Elke Engelhardt sowie Prosatexte von Mark Behrens, Sabine Bentler und Alex Judea, dazu einen Theaterstück-Auschnitt von Christian Knieps.
Das Bücherregal dieser Ausgabe schmücken aufschlussreiche Rezensionen. Es signieren: Edith Ottschofski, Wolfgang Schlott, Rainer Wedler, Uli Rothfuss, Willi van Hengel, Klaus Martens, Elke Engelhardt, Dieter Mettler und Stefanie Golisch. Wolfgang Schlott besuchte Yuri Alberts Ausstellung im Bremer Museum für moderne Kunst, Weserburg. Und Barbara Zeizinger berichtet im Forum über unsere Präsenz auf der Frankfurter Buchmesse 2014 sowie über die Verleihung des Gerhard-Beier-Preises an unseren Mitstreiter Horst Samson.
Liebe Leserinnen und Leser, falls ich Sie mit meinen einleitenden Gedanken belastet oder sogar belästigt haben sollte, tut mir das leid, aber ich denke, dass eine freie Meinungsäußerung unserem Literaturleben nicht schaden kann. Mag sein, dass nicht alles so grau ist, wie es manchmal aussieht. Doch nichts zu sagen, das bringt nichts. Sich aber über irgendwelche Entscheidungen einiger Preisrichter zu ärgern, statt sich mit Literatur und Kunst zu befassen, das ist auch nicht richtig – das gebe ich an dieser Stelle offen zu. Es gibt Besseres zu tun.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine gute, versöhnliche Weihnachtszeit und einen gelungenen Start ins neue Jahr!
Herzlich,
Traian Pop
Es signiert:
• Esma Oniani • Dominik Irtenkauf • Jörg A. Henle • Ștefan Aug. Doinaș • Theo Breuer • Rainer Maria Gassen • Sabine Bentler • Uli Rothfuss • Mark Behrens • Elke Engelhardt • Rewas Twaradse • Edith Ottschofski • Ulrich Bergmann • Willi van Hengel • Rainer Wedler • Stefanie Golisch • Dieter Mettler • Wolfgang Schlott • Alex Judea • Christian Knieps • Traian Pop • Klaus Martens • Barbara Zeizinger •