MATRIX 2/2021 (64)

MATRIX 2/2021 (64)

Zeitschrift für Literatur und Kunst

Ich mag keinen Exhibitionismus, aber ich habe trotzdem das Bedürfnis, die Kleider meines bescheidenen Ich wieder einmal fallen zu lassen. Des bescheidenen Ich, das so verrückt geworden ist, als Autor, Redakteur, Kolumnist – und was es sich sonst erträumt hat in seiner parallelen Welt – erneut vorstellig zu werden. Weil ich, wie schon so oft gesagt, zu danken habe, dass es mir erlaubt ist, dabei zu sein.

So wie mein Vater, der als Pilot für den Flug und die Passagiere verantwortlich war, es getan hat. Von ihm habe ich einen Traum geerbt: wie schön es sein kann, sich dem Willen des Himmels zu überlassen, auch wenn man Seiner Majestät dem Himmel manchmal aus der Hand rutscht. Genauso wie ich von ihm geerbt habe, dem Wunsch nachzugeben, selbst zu erfahren, was es heißt, den Flug für andere vorzubereiten, für ein Flugzeug und seine Passagieren einzustehen. Und das mehrmals wöchentlich, egal ob tags oder nachts, egal ob sommers oder winters, egal ob bei Hitze, Regen oder Schneesturm.

Eine Art, ein Flugzeug mit Passagieren anvertraut bekommen zu haben, scheint auch der Versuch zu sein, eine Literaturzeitschrift am Leben zu erhalten in einer Zeit, als Corona-Pandemie und Klimakatastrophe jedem Flugversuch entgegenstanden. Stimmt, unter Quarantäne gestellt zu werden, ist nicht gerade lustig. Um nicht missverstanden zu werden: Ich gehöre zu denen, die Impfen als einen Akt der Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Gesellschaft sehen. Ich sage dies nicht, um den Überraschungseffekt, der die Passagiere dieses Fluges erwartet, zu verderben, sondern um eine Wahrheit zu wiederholen, die jeder kennt und die niemand hören möchte: Jene, ohne die eine Pandemie und eine Klimakatastrophe nicht existieren würden, sind wir. Nur wir, unabhängig davon, ob wir uns an Bord der Literatur und Kultur begegnen, für die es immer enger wird, oder – im Gegenteil – von deren Existenz keine Ahnung haben bzw. davon nichts wissen wollen.

Genauso wie die Literatur selbst ein Virus ist, gegen das weder Interesse noch Ignoranz, weder Gut- noch Böswilligkeit, weder Armut noch Reichtum, weder persönliche Schwäche noch politische oder militärische Macht und auch nicht die Literatur selbst, die sich so oft für Pfennige prostituiert hat, bisher ein Gegenmittel gefunden haben. Trotz unzähliger Versuche. Von der Inhaftierung bis zum Verbot, ja bis zur raffinierten wirtschaftlich oder politisch korrekten Behandlung.

Dass sich hinter der wirtschaftlich oder politisch korrekten Behandlung von Pandemie und Klimakatastrophe auch eine unfaire Art, mit Literatur umzugehen, verbirgt, ist längst keine Neuentdeckung mehr. Genauso wie die politisch korrekte Behandlung der Literatur eine Katastrophe für Literatur selbst ist. Wenn immer mehr „Literaturfreunde“ sich berechtigt fühlen, mir unbedingt beizubringen, dass z. B. Schneewittchen von Rassismus und Diskriminierung oder Rotkäppchen von Sexismus geprägt seien.
Soll mein Ich, obwohl es zu seiner Männlichkeit steht, aber nicht an Sex denkt, wenn es sich an Rotkäppchen erinnert, soll mein Ich dieses wunderbare Märchen mit seinen Lehren über Gut und Böse, über Naivität und Realität, über Recht, Unrecht und Gerechtigkeit, das meine Kindheit begleitet hat, einfach vergessen? Und Schneewittchen zukünftig außer Acht lassen? Muss ich nun annehmen, dass das wirtschaftlich und politisch korrekte Benehmen uns selbst erfasst hat? Erfasst nicht, aber eingeholt schon, flüstert mir eine berühmte Romanfigur ins Ohr.

Pragmatisch wäre also, in das Flugzeug, das ich unbedingt in Betrieb halten möchte, die Geimpften, Genesenen oder Nicht-Infizierten einsteigen zu lassen. Da ich aber mit Pragmatismus nichts am Hut habe, wähle ich die Passagiere immer noch nach Kriterien aus, die ich mir selbst angesichts der allgemeinen Befindlichkeiten kaum einzugestehen wage. Ist das ein Zeichen dafür, dass meine Finger voller Viren sind? Trotz des Versuchs eines EU-Werbespots, mir beizubringen, wie ich meine Hände korrekt waschen muss? Gott sei Dank drängt sich nicht alles als Vorschrift auf, manches ist nur als Geschenk zu bekommen …
Denn was hätte die Dame aus dem Werbespot mit der Tatsache anfangen können, das z. B. unser georgischer Autor Dato Barbakadse eine „türkische Pizza“ isst „in einem ärmlichen Café in Kopenhagen, Hauptstadt Österreichs / mit ein paar nicht so schlechten Aussichten auf den Seine-Fluss“? Hätte sie eine Probe an die Behörde geschickt, um die Virenbelastung festzustellen?
Und wie hätte das RKI die Tatsache eingestuft, dass Christa Wißkirchen „Vatermutter“ sagt statt „Mamapapa“ und „Erzeuger“ statt „Eltern“ und „Projektion“ statt „Liebe“ und „System“ statt „Schule“ und so weiter und so weiter?

Europa hätte bestimmt Selbstanzeige erstattet, wäre aus dem Zentrum Zentraleuropas zu ihr gedrungen: „Die Anarchisten haben ihre Knallfrösche vergessen (und die Fahnenträger laufen ohne Fahnen / einzeln über den leeren Platz / wo der Volksredner von einer Säule herab / per Liveschaltung seine Zuhörer anfleht / nicht das Haus zu verlassen.)“, wie Thomas Böhme uns gerade mitteilt, während Michael Denhoff von countertimecounter sagt, dass die Komposition immer lebendiger werde trotz der Absicht, der mittlerweile so genannten ,Corona-Krise‘ (die in seiner Wahrnehmung vielmehr eine globale Gesellschafts- und Systemkrise – mit in mancherlei Hinsicht geradezu kafkaesken Zügen – geworden sei) keinen Zutritt in seine künstlerische Arbeit zu erlauben.

Der Gemeinplatz ist allseits bekannt: Was soll der Träumer, wenn heute Pragmatiker und Problemlöser gefragt sind? Wer glaubt im Ernst, dass Lawrenti Ardasiani kein Träumer war, als er in Tiflis die Verwandlung und Europäisierung mit all ihren karnevalesken Zügen akribisch beobachtet und literarisch gestaltet hat? Man könnte auch meinen, Matthias Buth wäre ein Verwalter der Ungerechtigkeit, die immer noch unsere Zeit prägt, Barbara Zeizinger und Rainer Wedler wären Puppenspieler, die sich selbst manövrieren, Silvia Schreiber eine unsichtbare Mitbewohnerin in unseren Wohnungen, Körpern, Gedanken. Und die Rezensenten: viel zu indiskrete Leser, die viel zu diskret über die eigenen Entdeckungen berichten. Den Editorial-Unterzeichner sollte man lieber vergessen: Er spottet jeder Vorstellung von gesundem Menschenverstand. Der einzige Zeitzeuge dieser Ausgabe, der das Schreiben zu seinem Hauptberuf gemacht hat, Hans Todt, mahnt: „In der heutigen Zeit des Internets finde ich es wichtig, dass junge Menschen überhaupt lesen.“

So könne aber keine Identität als Literaturgemeinde entstehen, die integrieren soll statt ausschließen, meldet sich die schon erwähnte Romanfigur zu Wort und fügt hinzu: Dieser Flug findet bestimmt nicht mehr statt. Doch, antworte ich, während die unentschlossene Jahreszeit die Unterwäsche von Rotkäppchen in meinem Handgepäck sucht, nachdem sie mir den Reisespiegel überreicht hat, in dem Schneewittchen sich schminkte, damit ich mich selbst davon überzeugen kann, dass ihr Negativ-Test gefälscht war. Ich finde aber keinen Grund zu feiern, obwohl mein Ich mich aus dem Spiegel ohne FFP2-Maske anstarrt.

Ich halte ihm das Blatt Papier unter die Nase, auf dem ich gerade begonnen habe, den Leitartikel dieser Ausgabe zu schreiben:

„… ich werde dich nie wiedersehen. So viele Tode / warten auf dich“, schreit Matthias Buth mit einem Vers von Adam Zagajewski, „und dann / der tod / zu jeglicher schönheit entschlossen“, zitiert er weiter, diesmal aus einem Gedicht von SAID. „Ruf leise: Strudirella. Wenn dann eine Nixe aus dem Wasser schaut, ist sie deine Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßtante“, antwortet ihm Herwig Haupt. „Auf einem Bild fährst Du unter Wasser mit dem Rad zur Kirche, liebe Irene Klafke“, denkt Christine Kappe, während sie sich mit dem Fahrrad auf den Weg zur Trauerfeier macht. Wollten sie vielleicht Strudirella treffen?

Eine gute Reise hätte ich allen Entschwundenen wünschen wollen, aber meine Stimme macht nicht mit. Ich bin jedoch sicher, dass sie mich hören. Und selbst wenn es nicht so sein sollte, ist es wichtig für mich und Sie, die diese Zeilen lesen, das zu glauben.

Es ist bereits Oktober und die MATRIX-Sommerausgabe endlich druckreif …

Traian Pop

• Dato Barbakadze • Christa Wißkirchen • Thomas Böhme • Michael Denhoff • Lawrenti Ardasiani • Bela Tsipuria • Matthias Buth • Herwig Haupt • Ulrich Bergmann • Christine Kappe • Irene Klaffke • Rainer Wedler • Was und wie viel wurde bzw. wird uns täglich mit auf den Weg gegeben? Was und wie viel davon wollen und können wir tragen bzw. ertragen? • Hans Todt • Barbara Zeizinger • Silvia Schreiber • Christel Wollmann-Fiedler • Wolfgang Schlott • Tania Gensfett • Uli Rothfuss • Katharina Kilzer • Stefanie Golisch • Dieter Mettler • Traian Pop •

Inhalt

Traian Pop • Editorial / S.4

Die Welt und ihre Dichter

Ein Gedicht für jede Jahreszeit
Dato Barbakadse • genius loci / S. 9

Christa Wißkirchen • Sechs Gedichte / S. 12
Thomas Böhme • Fünf Gedichte / S. 18
Michael Denhoff • countertimecounter / S. 26
Dato Barbakadse • 64 Haiku / S. 33
Luka Bakradse • Haiku-Kränze / S. 47
Beka Barkaia • Die kombinatorische Poesie Akira Mikitos / S. 49
Lawrenti Ardasiani • Solomon Isakitsch Medschghanuaschwili . Auszug / S. 53
Bela Tsipuria • Verwandlung, Europäisierung und Karnevalität von Solomon Isakitsch und Tiflis / S. 65
Matthias Buth • Lemberg ist Poesie – wie alle Heimat . Zum Tod von Adam Zagajewski / S. 79
Matthias Buth •Auf dem Rückweg vom Tod . In Deutschlands Sprache . In Memoriam SAID / S. 83
Herwig Haupt • Zwölf Gedichte / S. 89
Herwig Haupt • Das Märchen vom Nixenstein . Prosa / S. 104
Ulrich Bergmann • In memoriam Herwig Haupt / S. 119
Christine Kappe • Irene Klaffke, bildende Künstlerin, 1945 – 2021 – ein Nachruf in Briefform / S. 123
Rainer Wedler • Die Versuche des Rudolph Anton R. . Auszug / S. 127
Barbara Zeizinger • Herzwurzeln / S. 145

Zeitgeschichte
Was und wie viel wurde bzw. wird uns täglich mit auf den Weg gegeben? Was und wie viel davon wollen und können wir tragen bzw. ertragen?
Hans Todt • Ich kam aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Cherbourg und stand ohne alles da / S. 157

Atelier
Silvia Schreiber • Du siehst mich nicht . Prosa / S. 160

Bücherregal
Christel Wollmann-Fiedler • Die Reise des Wasserzeichens / S. 177
Wolfgang Schlott • Dato Turaschwili, Das andere Amsterdam / S. 179
Tania Gensfett • Die dämmernde außerterrestrische Leiter ins All . Gedichte von Ágnes Nemes Nagy (1922-1991) / S. 181
Uli Rothfuss • Kultur und Freiheit . Ein Buch von Roland Bernecker
und Ronald Grätz (Hg.) / S. 185
Matthias Buth • Der Worterheller aus Rumänien . Gott weiß mich hier. Radu Carp im Gespräch mit Eginald Schlattner / S. 187
Matthias Buth • Ännchen singt weiter, nicht nur in Königsberg . Klaus Ferentschik, Kalininberg & Königsgrad: Große Miniaturen / S. 191
Katharina Kilzer • Am Ende des Tunnels Licht – Tamara Labas’ Gedichtband Durst der Krieger – Liebesgedichte / S. 194
Stefanie Golisch • Es geht immer weiter. Zu Dato Barbakadses Und so weiter. Sieben Haiku-Kränze / S. 197
Dieter Mettler • Rainer Wedler, Die Versuche des Rudolph Anton R. / S. 199

Matrix 3/2015 (41) • Nikolaus Berwanger


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…Was würden wir rumänischsprachigen Schriftsteller / ohne die deutschsprachigen anfangen, / fragte sich Mariana Marin … (Wir sind frei), schrieb ich 1998, fünfzehn Jahre später.

Nikolaus Berwanger war damals für mich kein Unbekannter, aber er zählte nicht zu jenen, an die ich dachte, als ich am Schluss der Preisverleihung des Schriftstellerverbandes meinen Freund, den berühmten Literaturhistoriker und Kritiker Cornel Ungureanu, nach den nicht anwesenden deutschsprachigen Autoren fragte, ohne eine Antwort zu erwarten, denn allen war bereits klar, „dass die Deutschen uns für eine bessere Welt verlassen“: Den Anfang hatte doch schon der große Protektor Berwanger selbst gemacht. Ich war damals von den Texten der deutschen Kollegen begeistert – ohne Deutsch zu können –, da sie zum Großteil als Interlinearversionen für mich zugänglich waren. Dennoch wusste ich, dass sich hinter Berwangers prächtiger Gestalt, die mir ab und zu – dank meines Nebenjobs bei einer Literaturzeitschrift – über den Weg lief, viel mehr verbarg, als von außen zu sehen war: Mundartschriftsteller und höherer Parteifunktionär – echte Schimpfworte für uns, die wir gegen die Tradition und die Parteilinie schwammen –, dessen Position (mit den dazugehörigen Beziehungen) ihm ermöglichte, alles zu erledigen; ein Opportunist, der sowohl von den Deutschen (Westen inklusive) als auch von den Rumänen alles verlangte und bekam. Was für ein Kurzschluss, was für ein Irrtum!
Seine Texte sowie die Aussagen vieler Zeitzeugen, die Horst Samson – de facto Herausgeber dieser MATRIX-Ausgabe – hier gesammelt hat, bestätigen nun nicht nur, wie wichtig für mich und meine rumänischen, ungarischen, serbokroatischen Kollegen der Kontakt zu den deutschsprachigen war (lesen Sie dazu die Beiträge von Mária Pongrácz, Ildico Achimescu, Pia Brînzeu), sondern auch, dass ich ein besonders großes Glück gehabt habe, in der Nähe solcher Persönlichkeiten zu leben. Nun, da Nikolaus Berwanger in diesen Tagen 80 Jahre alt geworden wäre, versuchen wir – wie Richard Wagner, einer der besten Schriftsteller, die ich kenne, schreibt –, „etwas in Gang zu setzen“: „Es geht auch um die Lehren, die aus dem Blick auf das Leben eines Nikolaus Berwanger zu ziehen sind. Wenn ein Berwanger im Zeichen der Kontrolle und des Verbots etwas in Gang setzen konnte, so sollten auch wir, die wir jetzt im Zeichen der Verführung leben, der Manipulation, etwas bewegen können.“
Sie werden es uns bestimmt nachsehen, dass dieses Heft so umfangreich geworden ist – doch wenn wir alles, was wir zunächst sammelten, veröffentlicht hätten, wäre es mehr als doppelt so dick geworden. Wir hoffen, dass wir mithilfe der Texte von Nikolaus Berwanger, von den schon genannten beiden Autoren sowie von Karin Berwanger, Paul Schuster, Sigrid Eckert-Berwanger, Walter Engel, Eduard Schneider, Annemarie Podlipny-Hehn, Annemarie Schuller, Luzian Geier, Heinrich Lay, Hans Stemper oder Halrun Reinholz – neben Schriftstellern und Literaturwissenschaftlern haben sich auch Verwandte, Bekannte, Freunde und Leser zu Wort gemeldet – „etwas bewegen können“.

»Auswertung der Flugdaten« · Notizen zu Thomas Kling

Theo Breuer erinnert mit seinen „Notizen zu Thomas Kling“ an den vor zehn Jahren verstorbenen Dichter. Anlässlich von Axel Kutschs 70. Geburtstag am 16. Mai 2015 veröffentlichen wir – von Theo Breuer ausgewählt – sieben Gedichte aus „Versflug“, dem jüngst erschienenen neuen Gedichtband. Herzlichen Glückwunsch, Axel Kutsch! Und unser kürzlich gefeiertes Geburtstagskind Dieter P. Meier-Lenz stellt uns Lola vor: in einem Gespräch und acht Gedichten.

Daxue und Zhongyong – Die Große Lehre, Maß und Mitte

Mit „Daxue und Zhongyong – Die Große Lehre, Maß und Mitte“ sucht Ulrich Bergmann uns das von ihm erlebte China nahezubringen. Und Christine Kappe, Rainer Wedler, Eric Giebel, Wolfgang Schlott, Uli Rothfuss und Stefanie Golisch runden diese Ausgabe mit Essays und Bücherbesprechungen ab.

Am 13. April starb Günter Grass, kurz nachdem er es geschafft hatte, sein letztes Manuskript – keinen Roman, sondern ein Experiment, eine Mischung aus Prosa und Dichtung – „druckfertig“ zu haben. Der Abschied von einem deutschen Gegenwartsautor, der nicht nur mit seiner Literatur auch außerhalb Deutschlands für Wirbel gesorgt hat, erfolgte unterschiedlich – obwohl ausnahmslos unter dem Motto: „De mortuis nil nisi bene.“ Nun, da der politische Provokateur und künstlerische Workaholic nicht mehr da ist, bleibt uns – die wir ihn oft nur noch unter polemischen Stichworten von „Waffen-SS“ bis hin zu „Was gesagt werden muss“ und „Europas Schande“ wahrgenommen haben – zum Glück nichts anderes übrig, als seine Bücher erneut aufzuschlagen. Von der „Blechtrommel“, dem „Big Bang“ der deutschen Nach-kriegsliteratur, bis zu „Hundejahre“, seinem „ungelesensten“ Roman, wie Denis Scheck in einem Interview anmerkt: „Ich habe jedenfalls noch keinen Mitarbeiter des WDR getroffen, der weiß, dass das letzte Drittel von ,Hundejahre‘ im Wesentlichen von einem Redakteur des WDR handelt, der in Köln-Marienburg lebt und dort Talkshows moderiert. Und Grass war immer jemand, der sich der Medienwirklichkeit sehr früh bewusst war, und das auch literarisch reflektierte. Und lesen Sie mal das letzte Drittel der ,Hundejahre‘; das ist ein Roman über das Deutschland des Jahres 2015. Da kann man Gänsehaut bekommen.“
Schwer fällt uns auch, den Verlust von Hans Bender als unwiderrufliche Tatsache zu akzeptieren. Der Autor und Mitbegründer der renommierten Literaturzeitschrift „Akzente“ war zudem Herausgeber der „Konturen – Blätter für junge Dichtung“ sowie zahlreicher Anthologien, u. a. „In diesem Lande leben wir. Deutsche Gedichte der Gegenwart“ von 1978. „Das war das Logbuch, das war der richtungsweisende Band, wo man sich über die neueste Lyrikproduktion informieren konnte“, so DLF-Literaturredakteur Hajo Steinert.
Diese Ausgabe schließt mit zwei Texten von Theo Breuer im Gedenken an Hans Bender und Günter Grass.

Ihr
Traian Pop

• Horst Samson • Nikolaus Berwanger • Richard Wagner • Theo Breuer • Axel Kutsch • Dieter P. Meier-Lenz • Ulrich Bergmann • Karin Berwanger • Sigrid Eckert-Berwanger • Walter Engel • Eduard Schneider • Mária Pongrácz • Paul Schuster • Ildico Achimescu • Pia Brînzeu • Annemarie Schuller • Luzian Geier • Heinrich Lay • Annemarie Podlipny-Hehn • Hans Stemper • Halrun Reinholz • Christine Kappe  • Uli Rothfuss • Eric Giebel • Stefanie Golisch • Rainer Wedler • Wolfgang Schlott • Harald Gröhler • Rainer Wedler • Wolfgang Schlott • Gert Weisskirchen • Uli Rothfuss •